Elfen-Wunderwald

Liebe Leserin, lieber Leser!

Der Glaube an überirdische Wesen begleitet den Menschen schon seit jeher. Märchen und Sagen erzählen von menschenähnlichen Geschöpfen in der Natur, mit denen man ein gutes Auskommen suchen sollte, da dies Vorteile mit sich bringen kann. Das Feuerbrennen zur Sonnenwende ist so ein uralter Brauch, um Fruchtbarkeit und gutes Gedeihen im kommenden Jahr zu erwirken. In verschiedenen Tourismusgemeinden des Alpenlandes werden unter reger Anteilnahme der bergsportbegeisterten Bevölkerung noch heute regelmäßig Bergfeuer abgebrannt. Es ist jedes Mal ein großes Erlebnis, wenn auf ein verabredetes Signal hin zur bestimmten nächtlichen Stunde die Feuer ganz oben auf den Bergkämmen und in der sogenannten Schneegrube das aus Fackeln gesteckte Edelweiß entzündet werden.

Das Steinerne Meer von Saalfelden aus gesehen am Abend des 19. Juni 2021

Zwar denkt man dabei heute leider nicht mehr dezidiert an Bergmännlein, Riesen, Schrate und Salige Frauen, denen zu Ehren die nicht unbeträchtlichen Mühen des Auf- und Abstieges (letzterer bei völliger Dunkelheit) auf sich genommen werden. Aber eine gewisse weihevolle Stimmung, um nicht zu sagen Andacht, macht sich doch regelmäßig unter denen breit, die vom Tal aus das ungewöhnliche Spektakel genießen. Und Empfindungen sind ja Kräfte, heute leider stark unterschätzte Kräfte, die in den feineren Welten ihre Wirkung entfalten und auch auf unsere irdischen Verhältnisse einen Einfluss geltend machen.

Die Bergfeuer sind immer ein besonderes Erlebnis und vermitteln eine starke emotionale Aussage. Dieser Umstand war auch den Nationalsozialisten klar, die leider – jedenfalls in meiner Herkunftgemeinde – es nicht verabsäumten, die weihevollen Empfindungen der Zuschauer für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren: Unter alten Briefen meiner Großeltern fand ich ein Foto der Bergfeuer aus der Zeit um 1940 … mit dem Hakenkreuz anstelle des aus Fackeln heute in der Schneegrube ausgesteckten Edelweißes. Darum setze ich mich dafür ein, den überirdischen Wesen in der Natur ihren seit Jahrtausenden angestammten Platz im öffentlichen Bewusstsein zurückzugeben, damit es eben nicht so leicht geschehen kann, dass Empfindungen der Naturverbundenheit, der Bewunderung und der spirituellen Hingabe für ganz fremde Zwecke missbraucht werden können. –

Auch in Italien liebt man Feierlichkeiten: Lichterprozessionen, Umzüge, Feste. Ende Juli wurde ich Zeuge eines besonders schönen Festivals, das jedes Jahr auf einer Alm in den Abruzzen von einer kleinen begeisterten Theatertruppe veranstaltet wird: Das Festa Internazionale degli Gnomi, zu deutsch Internationales Zwergenfest. Darüber habe ich schon im Jahr 2015 bereits einmal berichtet.

Wegweiser

In diesem Jahr konnte das Fest nur in kleinerem Rahmen stattfinden, weil coronabedingt eine relativ geringe Besucheranzahl erlaubt war. Desungeachtet gelang es mit viel Liebe und Begeisterung der Theatergruppe wieder, die zauberhafte Atmosphäre herzustellen.

Portal zum Wunderwald

Durch ein „Feenportal“ gelangte man auf eine Lichtung im Wald, versteckt hinter Bäumen und in einer Senke gelegen, auf der mit Hilfe von Theater, Musik und charmanten Kostümen Gnomen, Elfen, Feen, aber auch Einhörner und andere Wesen zum Leben erwachen.

Einhorn und Pegasus
nächtlicher Elfenreigen

Das Festivalgelände schmiegt sich organisch in die Landschaft ein und man spürt: Hier ist nicht der Kommerz die treibende Kraft, sondern ein Gedanke der Naturverbundenheit und die Freude an der Beschäftigung mit den märchenhaften Wesen in den feineren Naturreichen.

Festivalgelände
die „Shoppingmeile“
Souvenirbude

Und obwohl sich das Festival vor allem an Kinder als Zielpublikum wendet, wird doch auch das Kind in jedem Erwachsenen geweckt, sodass alle voll auf ihre Rechnung kommen, die sich verzaubern lassen wollen. Auch wer des Italienischen nicht mächtig ist, so wie leider ich Elfenfreund, kann mit etwas Phantasie den Geschichten, die hier erzählt werden, ganz einfach folgen.

Straßentheater
Waldgeist und Spaßmacher
Versammlung im Wald

Am Morgen nach dem Fest hatte ich die Gelegenheit, den Leiter und Gründer der Theatergruppe „I Guardiani dell‘ Oca “ zu sprechen. Er erzählte über die Gründung des Festivals und dessen Sinn.

der Chef persönlich

Es war nämlich so, dass die Theatergruppe ursprünglich aus der Not eine Tugend machte und mangels eines geeigneten Theaters ihre Stücke im Freien aufführte, bald mit einem Schwerpunkt auf Umweltschutz. Nun ist im Wald ein Szenenwechsel nur möglich, indem man den Ort wechselt; so entstand der „Wunderweg“, auf dem Schauspieler und Publikum gemeinsam durch den Wald spazieren, bei Tag und – besonders eindrucksvoll – auch in der Nacht. Mit ganz einfachen Mitteln unterstützen die Künstler die Schönheit der natürlichen Formen und lassen diese für sich selbst sprechen. Kindern und Erwachsenen wollen die „Gänsehüter“ mit ihren stimmunsvollen Bildern den einzigartigen Wert der Natur bewusst machen.

Auftritt der Stelzenläufer
die blinde Seherin
Lichterwesen
viel Musik
Geschichtenerzähler
Kasperl

Die Belebtheit der Natur wird also ganz bildhaft greifbar, als „Folletto rosso“, als Faune und Dryaden, als Elfenkönigin. Das Gnomenfestival war dann nur ein weiterer Schritt, mit dem die Gruppe in noch größerem Maßstab den Wert der Naturverbundenheit und des Einklangs mit den Geschöpfen vermitteln will. Mit Hilfe von Humor, Musik und Geschichten geht das ganz einfach, ohne Vorträge und ohne Theorie.

König des Waldes
wunderbare Wesen
der rote und der grüne Waldgeist
Folletto Rosso: eindeutig eine Respektsperson
Elfenkönigin
Einhorn und Blumenkinder
Publikum spielt mit
Geschichtentransporter

Die Gruppe erscheint als eine sehr eingeschworene Gemeinschaft, schon recht verwachsen mit den von ihnen verkörperten Rollen. Ergänzend zum Gnomenfestival, das 2023 in den Abruzzen sein 20jähriges Jubiläum feiern wird, gibt es seit einigen Jahren auch das Sybillarium (https://www.sibyllarium.it/), das Fest der Feen, das für uns Nordländer etwas näher liegt, nämlich in Aquasanta Terme in den Marchen. Schauen Sie sich das an!

Ein gesegnetes Erntedankfest sowie ein erlebnisreiches Halloween wünscht Ihnen im Oktober 2021

Der Elfenfreund

Simpon A. Epptaler